Mittwoch, 4. August 2010

Durchs Shokdaratal auf die Höhen des Pamir

Am nächsten Tag geht es ans shoppen. Wir brauchen vor allem Lebensmittel. Den Basar kenne ich bereits vom letzten Jahr, aber dieses Mal wird mehr eingekauft. Davor wird aber noch das mit dem Permit erledigt. Die Stelle von gestern hat auf einmal doch wieder weniger Ahnung, ich muss schon genau erläutern bis ich die richtige Adresse und Telefonnummer genannt bekomme. Ausserdem soll die permitausstellende Behörde nicht im Zentrum sein, sondern irgendwo am Berg auf dem Weg nach Ishkashim, ich solle da doch ein Taxi nehmen.
Bevor ich dorthinfahre, schaue ich noch bei der Touristinfo vorbei (PECTA), die gestern abend schon zu war. Dort scheint man mein Anliegen auf Anhieb zu verstehen. Üblicherweise rufen sie die Behörde an und eine Mitarbeiterin kommt dann mit dem Permit zur Touri-Info. Das hört sich viel praktischer an. Es dauert aber erst einmal bis jemand in der Behörde erreicht wird. Aber nach einer guten Stunde ist die Dame da und füllt uns den Permit aus. Der Extra-Service kostet keinen Somoni mehr und so zahlen wir 200 Somoni für beide Permits. Nebenbei erkundigen wir uns nach dem Bartangtal. Die Leute im Touristinfo machen einen kompetenten Eindruck. Anscheinend sollte man von oben ins Bartang reinkommen, allerdings nur mit dem Rad, für Autos gäbe es wohl Probleme. Auf Nachfragen sagt man mir, dass es bei Kok Jar eine kritische Stelle gibt, wegen zu viel Wasser. Mal schauen ob da ein Rad wirklich besser durchkommt, als ein Auto. Auch zu Shaymak bekomme ich gute Infos, anscheinend braucht man keinen Permit für die Gegend.
Am rauschenden Bach geht es aus Khorog raus und Roschtkala entgegen
An den Hängen sind die Bewässerungskanäle gut zu sehen
Selbst hier wird man mit Werbung für Rogun genervt
Und schon in Roschtkala angekommen
Fussballplatz in Roshtkala, ob der Verein in der asiatischen CL ist?
Nun geht es noch auf den Basar. Nach einiger Suche, bekommen wir sogar ausgefallenere Sachen, wie Instant-Haferflocken und auch die trockenen Aprikosen sind nur an einem Stand zu finden. Dabei kommen hier Aprikosen im Überfluss vor, nur sind die wohl noch nicht getrocknet. Vor dem Basar treffen wir dann schon wieder unsere Ukrainer. Sie fahren im Übrigen ziemlich genau unsere Route ab, bis auf den Zor Kul. Nachdem wir unsere Sachen in der Herberge gepackt bekommen haben, die zwei Backpacker und ein Sack reichen dafür noch gut, geht es gegen Mittag endlich wieder auf die Piste. Gestern hatten wir ja schon nur wenig radeln können.
Für den Weg ins Shokdaratal nach Roshtkala frage ich zur Sicherheit immer mal wieder ein paar Passanten, aber eigentlich ist er gut zu finden. Es geht sogar auf Asphalt den Fluss entlang hoch. Am Polizeiposten hinter Khorog bekommen wir noch ein Stück Wassermelone in die Hand gedrückt. Nach dem üblichen Eintrag ins Journal geht es weiter. Es ist schön zu sehen, wie das Tal noch intensiv genutzt wird, auch an den Hängen gibt es immer wieder Bewässerungskanäle. Bei einer Pause kommen unsere Ukrainskies wieder vorbei, die wir wiederum später bei ihrer Pause passieren. In Roshtkala gehe ich nochmal in den Markt, um ein letztes Mal RC-Cola zu kaufen, leider gibt es die hier schon nicht mehr, das dürften jetzt längere RC-freie Zeiten werden. Dafür gibt es noch sehr schönes Gemüse. An der letzten Tanke wird nochmal vollgemacht. Dort treffe ich einen Jeepfahrer, der meint, er hätte in Shavjangoz ein Haus und wir sollen ruhig bei ihm vorbeischauen. Shavjangoz ist der letzte Ort in der Karte, daher erkundige ich mich noch nach der Infrastruktur. Man hat ja immer ein anderes Bild von den kommenden Orten und vermutet im Zweifel eher weniger Versorgung. Aber in Shavjangoz soll es sogar einen Laden haben. Da es nun schon langsam Abend wird, wollen wir nicht zu weit fahren. Da wir erst einmal keine uns zusagende Wiese finden, fahren wir doch noch bis Bidiz. Dort frage ich einen Bauern auf dem Feld, ob es auf einer Wiese möglich wäre zu übernachten. Daraufhin führt er mich aber zum eigenen Haus. Schnell kommt die ganze Familie zusammen. Wir bestehen darauf unser Zelt aufzubauen, wir wollen ja eigentlich nicht zu viel Umstände machen. Allerdings haben wir nicht mit der unbedingten Gastfreundschaft gerechnet. So bekommen wir erst einmal eine alte Wolldecke als Zeltunterlage und ins Zelt kommen auch noch Liegekissen statt der Isomatte. Wir schaffen es nicht schnell genug das Essen zu kochen, so dass wir vorher ins Haus gebeten werden. Dem sehr liebenswerten Vater unseres Gastgebers können wir das nicht verwehren. So gibt es bei Kerzenschein eine gute Gemüsesuppe mit Brot und natürlich Tee. Wir sind anscheinend nicht die ersten Radler im Hause, letztes Jahr scheint ein ziemlich verhungerter Amerikaner vorbeigekommen zu sein und wurde wieder aufgepeppelt. Wir schlafen heute richtig gut.
Manchmal lässt der Bach nicht viel Platz
Übernachtung bei einer supernetten Familie
Abschiedsphoto
Nach herzlicher Verabschiedung dürfen wir das wunderschöne Tal weiterfahren. Es hat immer noch Asfalt, der jedoch bald aufhört, die Karte hat das recht gut abgebildet. Ein besonderes Ereignis muss erwähnt werden, Dina schafft es ihren Photoapparat zu aktivieren, da ich sowieso häufiger Photos mache, tauschen wir noch, da wir baugleiche Modelle haben, nur meiner hat schon vor zwei Jahren mal etwas Sand abbekommen und so sind vor allem Gegenlichtphotos meist mit scheusslichem Fleck.
Wir fahren am Morgen ein ordentliches Stück, bis wir endlich einen halbwegs schattigen Platz für Mittag finden.
Rückblick auf Bidiz
Das eindrucksvolle Tal zum Pik Majakovski hinter (eine alte Piste geht zu einer alten Mine)
Zwischen den Mauern durch
Wieder einmal eindrucksvolle Schluchten
auf guter Piste
Man könnte hier endlos entlangfahren, einfach genial
Es geht auf die 3000 m zu
Mal geht es flacher dahin,
mal steiler
Ab und an gibt es gröberen Schotter
Fast kein Verkehr unterwegs
Himmel und Felsen
Endlich, Rastplatz am Volleyballfeld
Nachdem wir gegessen haben, kommt ausnahmsweise ein Jeep runter gefahren. Wir winken zurück, der Jeep hält jedoch und eine ganze Horde kommt heraus und geht auf uns zu. Gibt wohl einen Plausch. Aber nein, sie wollen gleich unsere Pässe sehen. Das kommt mir spanisch vor, und ich verlange, dass sie sich ausweisen. Aber sie meinen, sie bräuchten sich nicht ausweisen, sie wären vom KGB. Nachdem sie einen recht überzeugenden Eindruck machen, kramen wir unsere Passkopien raus. Das GBAO-Permit hat es ihnen angetan und sie stellen sehr zu unserem Erstaunen fest, dass wir hier illegal unterwegs sind und keine Genehmigung haben. Das mögen wir erst nicht glauben. Aber im Endeffekt haben sie recht, auf dem GBAO-Stempel sind alle Distriktortschaften aufgeführt, nur Roshtkala nicht. Sie meinen wir müssten nun nach Khorog zurück und uns einen Permit holen. Darauf haben wir natürlich überhaupt keine Lust. Die Diskussion zieht sich in die Länge und irgendwann bin ich bereit auch ein bisschen Geld in den Ring zu werfen. Aber das wollen sie gar nicht, sie beharren auf ihrem Standpunkt. Wir machen uns gedanklich schon zähneknirschend auf den Rückweg, wie sollen wir dann zum Zor Kul? Über das Wakhan oder über den Pamir Highway und dann den Khargushpass? Irgendwann kommt dann erst einmal der Vorschlag auf, dass wir mit ihnen mitkommen sollen um einen Tee zu trinken. In der Ortschaft, die wir gerade passiert haben, hat einer der Männer ein Haus, es war wohl eh geplant bei ihm einzukehren. Wir fahren also zurück und müssen über eine recht wackelige Brücke auf die andere Flussseite. Im Haus wird dann erst einmal gross aufgetischt. Wegen des Permits meinten sie nun plötzlich, dass sich das nach dem Tee dann schon regelt. Allerdings haben wir ziemliche Mühe die vorgesetzten Speisen alle zu essen, dabei ist da auch gutes frisches Gemüse dabei. Am Reisteller esse ich über eine Stunde und komme Dina gar nicht nach. Aber sie muss sich auch geschlagen geben, ein Rest bleibt. Dafür leere ich einige Tassen Tee. Um den angebotenen Wodka kann ich mich noch herumwinden. Eventuell sind die Gastgeber froh darum, dann bleibt mehr für sie übrig. Nach drei geleerten Flaschen machen wir uns dann langsam sorgen, der Alkohol hinterlässt schon Spuren. Das Haus ist wie die meisten Häuser eingerichtet, es gibt auch Fernseher, Videoapparat und eine Videokamera. Zum Höhepunkt wird dann sogar zum Tanz eingesetzt.


Reichgedeckter Tisch, dummer Weise hatten wir gerade schon gegessen
Wer führt hier wen?
Nach 2 Stunden ist langsam Aufbruchstimmung, die Autofahrer machen sich auf, wir wollen eigentlich auch gehen, warten aber noch, bis sich aller verabschiedet haben. Wir sollen zwar noch ein bisschen Ausruhen und die Nacht bleiben, aber ziehen es vor noch ein Stück zu Radeln. Eine grosse Herausforderung für die Beschwippsten ist noch die wacklige Hängebrücke, aber auch unsere Räder müssen wir dort noch rüber bringen. Nach einer grossen Verabschiedung können wir also unser Tal weiterfahren. es bleibt wunderschön, da reden die Photos für sich. Ich frage mich sogar, ob es nicht die schönere Strecke ist, als letztes Jahr das Wakhan. Es ist immer wieder eindrucksvoll zu sehen, wie die Bewohner hier das Land ausnutzen und bis in welche Höhen sie noch Getreide anbauen.
Die Ukrainer müssen uns mittlerweile überholt haben, da wir ihre Spuren vor uns auf der Strasse sehen. Wir hoffen nun darauf, dass wir niemandem mehr begegnen, der unser Permit sehen will. Am Mats-Pass morgen wären wir ja wieder aus dem Distrikt und mit ordentlichem Papierkram ausgestattet. Da hat das Wiener Konsulat wohl nicht sauber gearbeitet, beim Stempel schnitzen. Wir fahren noch ein Stück in den Abend, nachdem ich Dina dazu bewegt habe noch einen Übernachtungsplatz weiter zu fahren, kommt ewig kein geeignetes flaches Stück, es zieht sich. Aber noch vor Dunkelheit kommt nahe der Einmündung eines Seitenbaches in den Shokdara, eine gute Wiese, sogar mit ein bisschen Karl-Marx und Friedrich-Engels-Blick, das sind hier die beiden hohen 6000er der Kette die uns vom Wakhan trennt. Und siehe da, unsere Ukrainer haben genau den gleichen Platz gewählt. Es gibt ein grosses Hallo und wir werden noch auf das Abendessen eingeladen, wir versuchen uns mit frischem Gemüse zu revanchieren, das Brot zieht leider nicht, da haben sie wohl auch eine grosse Portion geschenkt bekommen.Dafür gibt es noch einen kleinen Schluck Vodka, zum Glück war ich dem heute Nachmittag aus dem Weg gegangen, nur das Nippen führt schon kurz zu einem etwas beschwingten Gefühl. Ausserdem haben unsere ukrainischen Freunde noch Schweineschwarte aus der Heimat dabei, das scheint dort eine Art Nationalgericht zu sein. Die Anfahrt nach Zentralasien, nach Samarkand haben sie wohl mit der Bahn gemacht, 4 Tage scheinen allerdings kein Zuckerschlecken gewesen zu sein. Seit Khorog ist noch nicht so viel Neues passiert. Unsere Wege gehen dann morgen auseinander, da sie Richtung Pamir-Highway fahren und wir zur afghanischen Grenze. Im Nachhinein erfahren wir, dass es wohl doch nicht so einfach für sie werden würde, sie wollen eine kleine Alternativstrecke zum Turumtal Kul fahren, während wir uns schon darauf einstellen den verfallenden Weg über den Mats-Pass zu nehmen. Das erscheint uns die interessanteste Variante um von Khorog nach Khargush zu kommen.
Geniale Felsen im Hintergrund
Durstlöschung
Es wird einsamer und der Schluchtcharakter tritt langsam zurück
Zeltplatz mit Radlerkollegen aus der Ukraine

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