Am nächsten Morgen kann man erst einmal nichts durch das Fenster sehen. Aber das ist keine Täuschung, es ist einfach milchig weiss, weil der Himmel so milchig weiss ist. So war er noch nie in der Früh, normalerweise wird man in der Früh von einem strahlend blauen Himmel begrüßt. Bei genauerem Blick erkennt man auf dem Dach des anderen Hauses Schnee! Es schneit noch immer, der Schnee kommt recht waagrecht daher, leider aus Richtung Karakul. Also mal auf ein bisschen Wetterberuhigung warten.
Nachdem es aufhört zu schneien, obschon es noch kalt ist, überwinde ich mich zum losfahren. Die Sachen sind schnell zusammengepackt, ein Photo und das abgemachte Entgelt gibt es noch. Gut eingepackt fahre ich los, in der Hoffnung, dass das Wetter sich bessert und ich noch den Karakul und den Pik Lenin sehen kann.
Vor dem Losfahren frage ich noch, ab welchem Kilometer ich wieder mit Asphalt rechnen kann. Die Antwort ist: ab 100 m. Super, das hatte ich am Vorabend gar nicht gemerkt. Also los die 40 km nach Karakul düsen. Leider verschlechter sich das Wetter bei der Durchfahrt durch die Hügel vor Karakul noch einmal. Es ist fast Zeit für die Sturmhaube, zum Glück hört das Schneetreiben dann doch bald auf. In der Ferne scheint etwas bläulich durch, es gibt also doch noch wolkenlos. Dafür hat der Schnee jetzt eine zauberhaft gestimmte Landschaft erzeugt, es ist alles leicht angezuckert. Auf halbem Weg kommen mir noch zwei Hirten mit einer Ziegenherde entgegen. Sie wollen nach Muskol, dem Ort an dem ich übernachtet hatte. Der Wind hat nun gedreht und so geht es zügig nach Karakul. Im Ort selbst werde ich gleich von einer Homestaybesitzerin angeredet, aber ich will am morgen noch kein Lager beziehen. Sie meinte, dass gerade vor einer Stunde zwei Radler von ihr aufgebrochen wären, mit einem Basar kann sie mir leider nicht weiter helfen, aber eigentlich brauche ich ja nichts.
Also geht es weiter und schon beim nächsten Weiler steht ein untypisches Rad herum, da sind wohl doch schon die zwei deutschen Radler. Sie sitzen in Campingstühlen vor einem Tisch, das Inventar ist jedoch von zwei Automobilisten, einem Wiener, der mit einem, Allrad-VW-Bus vom österreichischen Heer unterwegs ist. Außerdem ist ein Wuppertaler Mercedesbus da, der schon etwas hergenommen aussieht. Und in der Tat will dieser auch umkehren, zum einen weil das Auto Probleme macht, zum anderen aber auch, weil seine kirgisische Freundin keine Lust mehr hat und Heim will. Dafür werde ich noch auf einen Tee eingeladen. Der Wiener hat etwas Sorge, da er meint, dass er sich ein bisschen höhenkrank fühlt, da ihm übel ist. Vielleicht wir es in Murghab besser. Die Radler machen sich bald weiter auf und ich folge einige Zeit später. Nach ein paar Pausen(Anzieh, Klo, Mittag, Kette schmieren) kann ich auch mal wieder Stoff geben, wobei es den teils steilen vorletzten Pass nur langsam hochgeht. An der Passhöhe überhole ich Barbara, die schlechten Strassenverhältnisse lassen ein Windschattenfahren für sie nur kurz zu, der Gegenwind scheint etwas zu nagen. Hinter dem Pass wartet Barbaras Begleiter Thilo. Von ihm erfahre ich noch mehr. Die beiden sind im Winter eher in Deutschland und fahren dann meist im März in die Welt. Bei dieser Tour wollen sie zudem den Pik Lenin machen, bei den Schneemengen billige ich ihnen im Juli aber wenig Erfolgsaussichten zu. Sie haben am Rad schon ihre Rucksäcke aufgeschnallt aber sonst nur kleine Lenkertaschen, die Ausrüstung für den Lenin soll dann in Osh bei der gleichen Agentur (Tien Shan Travel), bei der ich den Permit angefordert habe, ausgeliehen werden und die Agentur soll auch bei der sonstigen Logistik helfen.
Da es recht kühl bleibt, kommt der Annorak wieder raus. Die beiden fahren schon mal weiter, in der Ebene vor dem letzten Pass wollen sie noch kurz Mittag machen. Ich nehme ihnen allerdings die Hoffnung auf einen Ort oder Cafe, wie in ihrer Karte eingezeichnet oder von ihrer Gastgeberin angegeben. Im Homestay in Karakul sind die beiden übel abgezockt worden. Über 120 Somoni wurden ihnen abgeknüpft, man sollte halt doch vorher fragen, am Schluss scheint die Gastgeberin mit einer detaillierten Preisliste gekommen sein. Ich fahre den letzten Pass im kühlen Gegenwind hoch. Nach einigem Geüdel und einer kurzen Strassenunterbrechung, wo umschoben werden muss, sehe ich die Grenzinstallationen der Tadschiken. Zuerst werde ich in die erste Kiste gelotst, es hat hier einige Installationen der Tadschiken. Dort wir mir erst einmal ein Tee angeboten, die Passdaten aufgeschrieben und eine Unterhaltung begonnen. Es stellt sich heraus, dass das die Drogenkontrolle ist. Ich gebe vorsichtshalber an, nichts dabei zu haben und interessiere mich dafür, wie relevant der Schmuggel ist. Man erklärt mir daraufhin die verschiedenen Varianten, zum einen die, welche die Drogen im Magen verschluckt transportieren, dann die, welche zu Fuss über die Grenze gehen und auch noch die welche Pferd oder Esel nehmen. Es ist zwar eh nur die Grenze nach China mit Stacheldrahtzaun gesichert, aber der dürfte nicht viele abhalten, da es immer wieder Durchschlüpfe gibt.
Dann kann ich endlich zur nächsten Stelle, wider Versprechen, gibt es dort immer noch nicht den notwendigen Ausreisestempel, sondern ich werde zur nächsten Kiste geschickt und zur nächsten... Nach einem weiteren Mal Passdaten aufschreiben kommt endlich die Stempelstelle, es dauert nur etwas länger. Derweil schwärmt ein in Gegenrichtung fahrender Franzose etwas von Sary Mogul und dem Pik Lenin vor. Allerdings wäre er gestern mit dem Jeep nicht bis ins Basislager gekommen, da Schnee liegt. Kurz bevor ich abgefertigt bin, kommt noch Thilo nach, der wohl seine Kollegin etwas alleine gelassen hat.
Interessanter Weise wird bei der Abfertigung nie das kirgisische Visum kontrolliert, das war nämlich nicht vorhanden, da es im anderen Pass ausgestellt wurde, den ich nicht zeigte. Auch die Kirgisen schauen später nicht nach, ob ich aus Tadschikistan ausgereist bin. Nach der Abfertigung geht es noch 500 m rauf, es liegt hier noch ein bisschen Schnee vom Neuschneefall heute Nacht rum.
Von oben gibt es nochmal einen genialen Blick auf die Gletscherberge. Dann geht es schon steil runter. Leider schmilzt der gefallene Schnee schon eifrig und so ist die Fahrbahn gelinde gesagt etwas maschig, die Frontroller werden ordentlich eingedeckt mit einer dicken Ladung Schlamm. Und auch das Rad sieht übelst aus, es lässt sich aber leider nicht verhindern, also Augen zu und durch. Auf der kirgisischen Seite stehen zwei LKW in den letzten Kehren, einer scheint einen Motorschaden zu haben. Kurzer Wink und weiter geht es, es ist weiterhin recht kühl. Die Strasse wird zwar nicht viel besser, dafür trockener, aber das Rad kann eh nicht dreckiger werden. An einem Bach mit (ausnahmsweise) klarem Wasser mache ich Pause und befreie zumindest die Ortliebs vom Dreck. Die Bremsen geben ordentliche Schabgeräusche von sich, die armen Felgen. Die steile Abfahrt findet dann zum Glück auch mal ihr Ende, Asphalt stellt sich ein und im Seitental wird wieder die weisse Wand eines Bergriesen sichtbar. Bald darauf sind die ersten Viecher zu seine, einige Yaks, die sich durch das Fotografieren nicht stören lassen. Nach dem ersten Hof kommt die kirgisische Grenzabfertigung in Sicht.
50 m davor überkommt mich ein dringendes Bedürfnis, so dass ich vor den Augen der Grenzer einen U-Turn mache und hinter einem grossen Stein Deckung suche, man weiss ja nie, wie lange es dauert. Nach der ERleichterung kann die Abfertigung erfolgen. Alles geht RazzFazz, auch wenn wieder 3 Stellen angelaufen werden müssen. Es ist 18.00und ich will noch nach Sary Tash, das sollen noch 25 km sein, aber ich habe die Rechnung ohne den Wind gemacht, der quält mich trotz abfallender Strasse gewaltig. Dafür ist die Strasse mit Schlaglöchern abwechslungsreich und rechts und links sind immer wieder Yaks, Kühe, Pferde, Ziegen Schafe und Yurten zu sehen. Auf halber STrecke überholen mich noch zwei Schweizer auf dem Motorrad. Sie sind auf einer 8 Wochen Tour. Der verdammte Ort will trotzdem nicht näher kommen, endlich passiere ich die von weitem sichtbaren Radargeräte und darauf eine Kaserne mit Panzern. Irgendwie sieht die Armee hier um Welten besser ausgerüstet aus, als in Tadschikistan.
Endlich die Brücke, um kurz vor halb 8 bin ich dann im Ort, wo ich mich nach Tien Shan Travel erkundige, aber dann doch das nächstbeste Hotel nehme. Davor stehen auch schon die 2 Motorräder der Schweizer. Da es immer noch erstaunlich kalt ist, obwohl wir schon auf 3200 m unten sind, gönne ich mir ein Hotelzimmer, es ist riesengross. So gross, dass dort auch noch zwei spät ankommende Russen untergebracht werden. Beim mageren Abendessen unterhalten wir (Schweizer) uns noch länger bis die Wirtin uns ins Bett schickt. Die Schweizer sind in der Lebensmittelbranche tätig, einer von ihnen führt einen Vertrieb für Nischenkäseprodukte, der andere ist Maschinenbauer und hat ein Ingenieurbüro für Lebensmittelmaschinen. Beide sind von zu Hause aus los und werden ab Novosibirsk mit den Motorrädern zurückfliegen. Ich lerne so einiges über Käse und Sinn und Unsinn der EU-Richtlinien, die zum Alpsterben führen. Am Schluss zeigt einer der Motorradfahrer noch das Ergebnis einer heutigen Fehleinschätzung. Bei den kirgisischen Grenzern war ein Hund der schon mich verfolgt hatte. Ich war stehen geblieben, der Motorradfahrer dachte nicht, dass er ernst macht. Ergebnis: Der Hund beist ihm ins Bein, durch die schwere Motorradmontur. Und bei der Weiterfahrt verfolgt er die beiden weiter, mit ihrer Maschine können sie gerade noch ausreichend beschleunigen, man muss ja noch auf die Schlaglöcher aufpassen.
Im Zimmer geht die Unterhaltung mit den Russen weiter. Sie sind aus Moskau, einer Anwalt, der andere in der Finanzbranche bei einer Versicherung. Vorher war er bei Shell, daher bekomme ich die Hintergründe vom Sachalin-Deal mit auch auch Georgien wird ausführlich diskutiert. Die beiden wollen dann morgen mit ihrem gemieteten Jeep in den Pamir schauen, aber nur zum höchsten Pass, also wohl 1 Tag, zumal sie kein GBAO-Permit haben, aber mit Geld lässt sich anscheinend das meiste lösen.
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