Die Nacht hat doch nur ein bisschen Regen gebracht und keine weiteren so heftigen Gewitter, wie sie am Abend knapp vorbeizogen. Ich stehe halbwegs früh auf und nach einem kuren Frühstück geht es rüber zur Jurte, da ich ja versprochen hatte auf Kymus vorbeizukommen. Daraufhin geht dort Betriebsamkeit los, die waren noch gar nicht alle aufgestanden. Tee wird gekocht und wie üblich bechere ich ganz gut. Die Kinder haben ein eigenes Zelt, keine Jurte. Erst am Schluss gibt es Kymus, den ich tapfer und mit Anstand hinter mich bringe. So gegen 8 breche ich dann die Zelte ab und bin auf die nächsten Checkpoints gespannt. Das Wetter ist immer noch durchwachsen, aber einige Berge sind frei und es ist recht viel Schnee oben zu sehen. Ein bisschen Verkehr ist, ein paar LKW und 2 Jeeps, wohl mit Touris für China. Ab dem Tuz Bel-Pass ist auch der Chatyr Kol zu sehen, mein vorläufiges Ziel, da ich ja nicht weiss, wie weit ich komme. Es geht dann, wie in Tadschikistan auch, immer dem Grenzzaun entlang, ein paar militärische Einrichtungen stehen herum, von denen man nicht immer weiss, ob sie noch in Betrieb sind. Zumindest gibt das schöne Remeniszenzen an die Sojusny-Zeit.
An der im LP beschriebenen Blubberquelle schaue ich auch noch vorbei und bald steht recht unvermittelt der Posten Torugart vor mir, mit Baracken, Wohnungen und ein Einheimischer erklärt mir den richtigen Weg, einfach links halten. Das mache ich dann auch und bin wohl auf der richtigen Piste entlang des Grenzzaunes unterwegs. Prima, in Torugart wurde ich gar nicht aufgehalten.
Keine zwei Kilometer bin ich unterwegs, als mir 2 Pferde mit 3 Reitern begeegnen, ich halte sie zunächst für Hirten, aber einer hat ein Gewehr um und jeder Teile von Militärkleidung. Tja scheint wohl doch Militär zu sein. Sie halten mich an und wollen meine Papiere sehen. Ich gebe ihnen meinen Pass und die Kopie des Wisches, leider meinen sie ich muss erst mal zum Posten Torugart zurück. Sehr freundlich sehen sie nicht aus und so rolle ich in Begleitung zurück.
Dort angekommen zeigt sich jemand gar nicht begeistert und meint ich müsse sofort zurückfahren, hier weiterfahren kommt überhaupt nicht in Frage. Schüchternes Nachfragen bringt lautstarkes Argumentieren nach sich, hier gäbe es zwei verschiedene Grenzzonen und in dieser hier darf ich nicht ohne Führer unterwegs sein, ansonsten könnte ja auf mich geschossen werden, da hilft kein Reden. Ich mache mich also auf und hoffe auf eine Mitfahrgelegenheit, aber LKW fahren wohl erst am Abend, sagen die Soldaten. Doch auf einmal ist da der Jeep von heute Morgen. Ich frage ob sie mich nach Naryn mitnehmen würden und sie erkundigen sich ob ich ein Problem habe. Nach meiner Schilderung der Situation, meinen sie 500 Som. Ich dachte zuerst damit sei der Tarif nach Naryn gemeint, aber sie meinten damit sollte ich den widerspenstigen Offizier schmieren, der es eventuell darauf anlegt, Kirgistan soll korrupt sein. So was muss der Offizier mir aber irgendwie deutlicher klar machen, daher gehe ich davon aus, dass dem nicht so ist.
Im zweiten Auto sitzt noch ein Militär, die beiden Jeeps waren tatsächlich für den Touritransport über den Tourogart eingesetzt, aber wohl noch nicht für Beatrix und die Schweizer, die kommen ja erst morgen. Der Militär im Wagen hört sich meine Geschichte auch nochmal an und sieht sich meine Farbkopie an (ehrlich gesagt glaube ich, dass die von allen als echtes Dokument angesehen wurde). Mein Dokument sei gar nicht mal so schlecht, das sei zwar nicht Naryn, aber dafür Bischkek, mit dem kann ich doch zum Chef des Stützpunktes gehen, der sei da vorne bei den Wohnwagen. Da hätte ich ihn am wenigsten vermutet. Die nette Dame aus dem Jeep meinte noch, eventuell müsste ich unterschreiben, dass ich eigenverantwortlich handle. Das hört sich ja alles ganz anders an als vorher schon. Der Chef ist dann ganz unkompliziert, meint das Papier käme aus Bischkek und das wäre OK, aber nur bis 11.7. gültig, faszinierend, was auf dem Dokument alles drauf geschrieben ist, hatte ich noch gar nicht gesehen. Nachdem ich sage, dass ich bis zum 11. wieder aus der Grenzzone bin, ist dann alles ok. Nur bin ich etwas verduzt und verunsichert, will aber dann doch gleich losfahren. Einer meiner Ergreifer hat die ganze Diskussion nicht mitbekommen und will mich erst mal nicht ziehen lassen, begleitet mich also noch zu Pferd, aber auch die Zöllner finden den Wisch Ok und versuchen meinem Aufpasser das zu erklären. Aber erst nach einigen weiteren Metern schüttle ich ihn dann ab. Nun hoffe ich, dass die Angelegenheit sich nicht an jedem Checkpoint (von denen sollen noch einige kommen) wiederholt.
Am ersten Posten nach 10 km stürmen zwei zivil Bekleidete raus, haben wohl etwas gepennt, ich warte und zeige ihnen Pass und Wisch, nach ein bisschen smalltalk geht es weiter, so einfach ist das.
Der nächste Posten, der 25 km weg sein sollte, aber bereits nach 20 km kam, werde ich nicht kontrolliert, ich bleibe zwar 5 Minuten an dem, was so aussieht, wie eine Sperre, stehen, aber niemand kommt, obwohl bei dem grossen Komplex im Hintergrund Leute zu sehen sind.
Mit dem Rückenwind komme ich gut voran, leider gibt es in den Bergen und auch sonst viele Wolken und Gewitter. Die Piste ist passabel, manche trockenen Flussbettequerungen sind kiesiger. Irgendwann ist dann auch der Grenzzaun weg, da er nach Süden abbiegt. Am ersten grossen Fluss, den ich laut Karte überqueren muss, weiss ich zunächst nicht, wie weiter. Da ein Gebäude taleinwärts zu sehen ist, fahre ich erst dort hin. Niemand da, in der Ferne ein paar Pferde, die zu mir gelaufen kommen. Da unmittelbar ein Gewitter droht, suche ich Unterschlupf, ein Vorkämmerchen ist zum Glück zugänglich. Ich verkrieche mich gerade, da hupt es draußen, ein Audi will wissen, ob der Hausbesitzer nicht da wäre, er kann mir beim Furt/Wegproblem aber nicht weiterhelfen, über die Furt kann sein Audi sicher nicht. Ein leicht surrealles Erlebnis, hatte eigentlich gedacht hier recht einsam zu sein und wenn dann mit Geländewagen zu rechnen. Kurz darauf fängt es mal wieder ziemlich zu graupeln an und es gibt einige heftige Blitze und Donner in kurzer Entfernung. Die nächste Zelle rollt schon wieder an.
Ich warte etwas ab, aber mein Gefühl sagt mir ich soll fahren, obwohl eigentlich aus der Wetterrichtung neues Unheil droht. Dort wo ich die Strasse Richtung Haus verlassen habe, zweigen auch ein paar Spuren ab, die Strasse wird wegen der kaputten Brücke wohl nicht mehr benutzt. Ich bin gespannt, wie und ob die Flussquerung klappen wird. Hinter mir sieht die Zelle schon bedrohlich aus. Am ersten Wasserarm ziehe ich Schuhe und Socken aus, das Wasser ist so trüb, dass man die Tiefe nicht abschätzen kann. Aber alles geht gut, ich komme durch auf eine kleine Sandbank. Der nächste Arm hat schon mehr Strömung aber es geht noch einmal gut, man muss wegen der Lowrider nur den Lenker richtig drehen, damit nichts an den Verschluss kommt. Nach einer breiten Kiesbank folgt wieder ein Arm, meine Füße spüre ich schon nicht mehr. Zwei weitere Arme später bin ich durch. Schuhe an und Füße wieder warm kriegen, die Hose hat auch was abgekriegt, Sonne zur Unterstützung ist leider Fehlanzeige. Ich hoffe mal das war der größte Fluss, zumindest würde ich es auf der Karte so interpretieren. Auf der anderen Seite sind erst Mal keine Fahrzeugspuren, nur Pferdespuren, da die Piste weggespült wurde. An einer geeigneten Böschung gewinne ich die alte Strasse und 1 km später kommen auch die aktuellen Fahrzeugspuren wieder dazu. Wegen des drohenden Regens beeile ich mich in Richtung vermuteten Stützpunkt zu kommen. In der Ferne sieht es nach einigen Häusern und Strommasten aus. Noch davor ist ein kleines Zeltlager, da es keine Jurten sind, will ich erkunden, was für Leute dort unterwegs sind. Es stehen mehrere SG20 und auch eine Blechhütte herum, aus der es rausdampft. Wegen des düsteren Himmels fahre ich auf das Lager zu, neugierige Gesichter zeigen sich am Fenster. Ich werde gleich in die warme Hütte eingeladen und darf mich zur Runde dazusetzen. Ein paar Männer spielen Karten, zwei Frauen sind am Herd. Und was für ein Herd, ein Tonnenoffen, mit einem riesigen Aufsatz, in dem Fleischbrühe vor sich hinblubbert. Mir wird daher auch kein Tee, sondern Fleischbrühe gereicht, die ich auch gleich reinschlürfe. Noch dazu gibt es etwas, was wie Hörnlinudeln aussieht, aber wohl irgendeine Innerei ist. Nur vorsichtig nehme ich dies zu mir und lasse etwas übrig, was dann aber gleich von den anderen verputzt wird. Es kommen noch mehr Leute dazu und nach und nach wird das Abendessen aufgetischt.
Was die Leute hier machen habe ich nicht ganz herausbekommen. Beim zur Hütte gehen bin ich gleich auf einen Haufen großer Tretfallen (a la Bärenfalle) gestoßen und blutige Eimer standen daneben. Nachher meinte einer mit den Fallen würden Murmeltiere erlegt, eines konnte ich nachher auf der LKW-Ladefläche sehen. Zumindest scheinen sie was zu jagen, sie meinten zudem was von Quarantäne, zudem gab es ein Laborzelt.
Das Abendessen war dann ein Erlebnis für sich. In dem überdimensionalen Topf lagen wohl die Überreste von einem 3monatigen Kalb, dementsprechend wurden da jetzt unmässige Mengen Fleisch und Knochen herausgefischt, und auf mehreren Platten und Schüsseln auf den Tisch gestellt. Daraufhin fing das Dutzend Männer an sich darüber herzumachen. Zunächst wurde erst einmal etwas Fleisch gegessen, da wird jedes Futzelchen gegessen, teilweise noch die Knochen aufgebrochen und ewig herumgeschabt, Leber und eine überdimensionale weisse Masse (Hirn wird das doch nicht etwa gewesen sein?) werden aufgeschnitten und als Leckerli herumgereicht. Ich bekomme immer wieder allerhand Spezialitäten zugesteckt, von denen ich nicht recht wusste, was sie sind. Dann wird weiterpräpariert, geschabt und geteilt. Einige Teller Geschabtes kommen in Nudeln und werden mit ihnen danach gegessen. Das Ganze wurde Beschbarmak (5 Finger) genannt und ist wohl Nationalspeise. Im Anschluss bekomme ich noch 2 Tassen Kymus, also deren schon drei heute, langsam also mein Hauptgetränk, Cola war heute ja nicht zu sehen.
Nach dem Essen geht es raus, man redet. Ich werde noch auf ein Pferd gesetzt, aber das bewegt sich nicht, erst als die Peitsche rausgeholt wird, geht es los, aber da ich das mit dem Lenkrad nicht kapiert habe ist nach 3 Metern am LKW Schluss. Beim nächsten Versuch geht es ein paar Meter weiter. Eigentlich schon ein cooles Fortbewegungsmittel, auf das in Kirgistan wohl vor allem französische Touris stehen. Als Revanche probieren dann alle mal mein Rad aus, einige kommen ganz gut zu Recht damit, obwohl sie ja eigentlich nie damit fahren. Ich baue derweil das Zelt auf, wie immer mit einigen Zuschauen.
Zwei von der Gruppe sind noch zur benachbarten Jurte geritten (besser gesagt in vollem Galopp gesprintet) und haben wieder Kymus mitgebracht, das 4 Glas ist also fällig. Nach einigem Warten, gibt es zu später Stunde dann endlich noch einen Tee, hier lange ich wieder ordentlich zu. Auch die üblichen Fragen gibt es, so bekomme ich mit, dass man in Kirgistan wohl an die 100 Dollar im Monat verdient, ich nehme an, das gilt für die Randregion hier, die Leute kommen aus At Bashy. Müde schlüpfe ich darauf in den Schlafsack. Prima, dass ich hier an der Grenze so gut vorankomme hätte ich gestern noch nicht gedacht.
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